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 |  Hans-Friedrich Müller  |  Aus dem Rathaus

Die Amelinghausener Gilde

Die Gilde ist ein selbstnütziger Verein, in dem auch zünftig geschmaust und getrunken wurde. Das Wort ist vom altnordischen „Gildi“ abgeleitet und bedeutet Genossenschaft, Festschmaus und auch Trinkgelage. Schon im 8. Jh. gab es auf dem Gebiet des heutigen Frankreichs Kaufleute u. fahrende Händler, die sich zusammengetan haben, um sich gegenseitig zu helfen u. zu schützen. Bei uns gibt es Gilden seit dem 10. JH..
In der von Heinrich I. erlassenen Burgenverordnung von 926 n. Chr. taucht das Wort Gilde das erste Mal auf. Wer Mitglied einer solchen Gemeinschaft bzw. Brüderschaft werden wollte, musste durch einen Schwur seine Bereitschaft zeigen, sich für die Interessen der Gilde im ökonomischen u. sozialen Bereich aktiv einzusetzen. Es galt das genossenschaftliche Prinzip: „Einer für alle, alle für einen“.

© Hans-Friedrich Müller

Im Gegensatz zur Gilde ist die Zunft ein Zusammenschluss von Handwerkern in den Städten. Auch dieser Zusammenschluss war berufsspezifisch. Ihr Ziel war u.a. eine ordentliche berufliche Ausbildung u. eine Garantie für eine gute Qualität der hergestellten Produkte. Wer Mitglied einer Gilde o. Zunft war, hatte in der Stadt einen gewissen Rechtsschutz. Anders als heute gab es damals keine Versicherungen. Wer in Not geriet, bekam Hilfe und Unterstützung.
Die Kaufmannsgilden u. die Handwerkerzünfte hatten folgende Ziele gemeinsam: Schutz und Sicherheit in allen Lebensbereichen u. ein gemeinschaftliches, christliches Zusammenleben, beruhend auf dem Prinzip der Nächstenliebe. Dass es bei uns zwei verschiedene Begriffe für diese beiden Gemeinschaften gibt, die sich von ihren Zielen her eigtl. nicht unterscheiden, ist historisch bedingt. Die Gilde als Brüderschaft ist älter als die Zünfte. In England gibt es nur das Wort „guild“ für beide Brüderschaften.
Dass wir vieles über die Amelinghausen Gilde wissen, haben wir unserem Pastor Heinrich Ludewig Meybrinck zu verdanken, der nach seinem Amtsantritt 1780 in mühsamer Arbeit das ganze Kirchenarchiv neu geordnet u. Wichtiges für die Nachwelt in seinem „Corpus Bonorum“ von 1785 festgehalten hat. Sein 85 Seiten umfassendes, handschriftlich überliefertes Werk, ist eine Bestandsaufnahme aller kirchlichen Einnahmen u. Ausgaben. Obwohl Meybrinck das ganze Kirchenarchiv durchforstet hatte, konnte er keine Hinweise finden, wann es in Amelinghausen zur Gründung von Gilden gekommen ist. Seiner Meinung nach haben die Gilden, wovon es in unserem Kirchspiel ursprünglich fünf gab, „ihren Anfang noch weit im Papsttum genommen … dass hier in ganz alten Zeiten Mönche gewohnt haben“ (in der Nähe vom heutigen Papenstein, gemeint ist die Papenstelle), ist eine bekannte Sache… Durch eine starke Feuersbrunst sind diese Mönche 1396 vertrieben worden. Von diesen geistlichen Ordensleuten, mag nun, wie ich denke, der Gildekram ein Nachlass sein … Diese Gesellschaft, von dem Aberglauben unterstützt, braucht allerlei Kunstgriffe, Güter, Länderey, Wiesen an sich zu bringen. Für eine Seelenmesse konnte man damals schon einen Zehnten, ein Stück Landes, zur Belohnung bekommen". (Meybrinck, Corpus Bonorum)
Dass Meybrinck die Gilde als Kram bezeichnet, zeigt deutlich seine negative Einstellung. Er fand es auch richtig, dass der Herzog Ernst von Braunschweig-Lüneburg 1539 aus fünf Gilden eine machte und sie nicht einem Heiligen als Schutzpatron unterstellte. Die Gilde war finanziell gut fundiert, da sie die abgewanderten Mönche beerben u. somit über eine Vielzahl von Einnahmequellen verfügen konnte. Der eigentliche Eigentümer dieses Rechts war aber der Landesherr. Die Gildegüter betrachtete man als „primus corpus“, ein unantastbares Gut, über das der Landesherr als Summus Episcopus die Oberaufsicht hatte.
So wie jeder Verein hatte auch die Gilde eine verbindliche Vereinsstruktur. An der Spitze stand der Gildemann, der für die Organisation und Finanzen verantwortlich war. Ihm unterstand ein Gildeknecht, der auf die richtige Nutzung der Holzwiesen achtete und für die Beschaffung von Brennholz für die Schule verantwortlich war. Er hatte eine Kate, die auf dem Grund und Boden der Gilde stand (heute Uelzener Str.7). Dafür musste er jährlich einen Taler Miete bezahlen. Ein bekannter Spruch von heute lautet: „Wer arbeitet, darf auch feiern“. Diesen Spruch kannten auch unsere Vorfahren. Mehrmals im Jahr versammelten sich die Mitglieder im Pfarrhaus. „Und bey dieser Gelegenheit hat man weydlich, Mann und Frau, geschmauset, besonders schrecklich vieles Bier, bei Tonnen voll (eine Tonne: 120 L) 
gebraucht. Diese Fresserei ist mit Recht abgeschafft …“, so Meybrinck. Nach 1785 gab es diese Versammlungen zum Leidwesen der Gildemitglieder nicht mehr. Besonders die Frauen müssen diese Anordnung bedauert haben, denn sie durften sozusagen als emanzipierte Frauen zusammen mit der Männerwelt ordentlich feiern. Vllt. haben sie auch zum hohen Bierkonsum beigetragen. Seit 1750 gibt es die Landwirtschaftliche Brandkasse, die in gewisser Weise als eine Konkurrenz zur Gilde gesehen werden kann.

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