Wie schön ist das Fahren mit dem Fahrrad
Ich war zur Kirchenkreiskonferenz gefahren, und jemand sprach mich einfach an: „Götz, du hast ja noch ein richtiges Fahrrad – kein E-Bike.“ Und ich musste dann einfach erzählen, wie lange mich dieses Fahrrad schon begleitet. In meinen späten Zwanzigern habe ich zwischen Studium und kirchlicher Ausbildung in einem Berliner Kaufhaus gearbeitet. Um die Kosten für ÖPNV zu sparen, habe ich einmal für meine damaligen Verhältnisse viel Geld in dieses Fahrrad investiert.
Vor einigen Jahren dachte ich, etwas Neues muss her, und besprach das mit dem, der mein Rad immer reparierte. Er sagt nur: „Wieso denn, das ist doch ein gutes Stück.“ So fahre ich es immer noch und freue mich an diesem treuen Gefährten. Für die Beleuchtung habe ich mir allerdings LED-Lichter angeschafft, und der Sattel könnte auch mal wieder erneuert werden. Ich muss allerdings gestehen, dass mein Fahrrad im Winter im Keller stand. Der Weg zum Einkaufen und zum Bahnhof ist kurz, und für Wege zu den Dörfern war das Auto dran. Im Winter war es mir zu kalt, zu nass und dunkel, um mich aufs Rad zu setzen. Umso mehr genieße ich jetzt wieder die Freuden des Radfahrens. Die frische Luft, der Wind und was man alles sieht, wenn man auf dem Rad sitzt und nicht im Auto.
Vor einigen Jahren habe ich mal ein Radfahrergebet für Menschen an der Elbe geschrieben. Es weckt in mir die Vorfreude auf weitere Wege mit dem Rad:
Gott, wie schön ist das Fahren mit dem Fahrrad, das Geräusch der Reifen auf glattem Asphalt, der Wind, der die Haare zerzaust, die Klänge der Natur, wenn wir die Hauptstraßen verlassen, die neuen Wege, die wir kennenlernen, dass wir einmal unseren Körper erleben, die Muskeln und die Sitzfläche, die Hände und die Waden.
Gott, wir freuen uns heute an Himmel und Erde, an Sonne und frischer Luft, an der Weite der Ebene und dem kleinen Anstieg, wenn wir den Deich hochfahren.
Wir freuen uns an der Geschwindigkeit – bergab – und an der Langsamkeit, sodass wir die Welt wieder sehen lernen: die Wiesen und die Kühe, die Bäume und, wenn wir Rast machen, die Käfer auch.
Wir freuen uns an den Entdeckungen, den kleinen Orten, den Marktplätzen und kleinen Läden, den Kirchen, die wir sonst nie gesehen hätten, und den Orgeln, die wir nie gehört hätten. Und wie gut ist es, dass wir mit dem Fahrrad reisen, ohne schlechte Luft zu produzieren!
Aber Gott bewahre uns davor, herabzusehen auf die, die mit dem Auto unterwegs sind, als ob sie schlechtere Menschen wären.
Behüte uns in der Gefährlichkeit des Straßenverkehrs, beschirme uns in der Hitze des Sommers, wärme uns im kalten Regen.
Gib, dass wir uns nicht überfordern, dass wir aber auch nicht zu schnell aufgeben.
Gott, wir bitten dich: Schenke uns immer dann Rückenwind, vor allem, wenn wir nicht mehr können – und das nicht nur beim Radfahren. Aber lehre uns auch, den Gegenwind anzunehmen – als Herausforderung, als Training, als etwas, was uns unsere Geschöpflichkeit lehrt.
Und lass uns schließlich nach Hause kommen, an den Ort, an den wir gehören, zu den Menschen, die wir lieben, und am Ende aller unserer Reisen durchs Leben zu dir, der du uns Heimat und Zuflucht bist. Amen.