
Früher …
als die Straße noch den Kindern,
Pferden und Rentnern gehörte
Der aufmerksame Leser wird sofort die berechtigte Frage stellen, warum die Motorräder und Autos hier nicht erwähnt werden. Der Grund dafür sind die schlechten Wirtschaftsverhältnisse und Lebensumstände in der Zeit während des Zweiten Weltkrieges von 1939 bis 1945 und auch danach, als jeder um Lebensmittel kämpfen musste und auf der Suche nach einer Wohnung war.
Vor dem Krieg gab es nur wenige Dorfbewohner, die ein Auto oder Motorrad besaßen. In der Kriegszeit wurden die wenigen Fahrzeuge, die es in unserer Samtgemeinde gab, von der Wehrmacht requiriert. Wer in der glücklichen Lage war, sein Fahrzeug behalten zu können, konnte es nicht immer benutzen, weil es Benzin nur auf Bezugsscheine gab. Das Verkehrsaufkommen - abgesehen von gelegentlichen Militärfahrzeugen - war bis Ende des Krieges gleich null. Nach Kriegsende bestimmten natürlich die britischen Militärfahrzeuge das Straßenbild. Nachdem die Militärverwaltung sich etabliert hatte und die Kasernen in Lüneburg von den englischen Soldaten bezogen waren, wurde der Militärverkehr weniger. Gelegentlich fuhr eine englische Militärkolonne in Richtung Munster durchs Dorf. Es gab tagsüber Zeiten - besonders um die Mittagszeit - ohne jeglichen Verkehr, nachts ohnehin.
Nach der Währungsreform und mit der Einführung der Deutschen Mark, im Juni 1948, haben sich die wirtschaftlichen Verhältnisse allmählich verbessert. Ab 1950 setzte in der Landwirtschaft die Motorisierung ein. Zunächst waren es nur die größeren landwirtschaftlichen Betriebe, die sich einen Trecker leisten konnten. Die vielen Pferde prägten weiterhin das Dorfbild und verrichteten den größten Teil der Feldarbeit.
Als 1950 die ersten VW Käfer in Wolfsburg vom Fließband rollten, dauerte es nicht lange, bis man sie auch in Amelinghausen sah. Aber nicht tagtäglich, denn das Auto war ein Heiligtum und wurde nur sonntags benutzt.
Die Kinder spielten auf der Straße. Wenn ein Militärfahrzeug sich näherte, konnten sie es hören, bevor es zu sehen war. Zu der Zeit gab es noch eine Stille, die man mit dem Adjektiv „zauberhaft“ nicht besser beschreiben könnte. Die vielen heutigen Zivilisationsgeräusche, die über weite Entfernungen zu hören sind, waren damals nicht da. Die Straße gehörte in erster Linie den Dorfbewohnern, besonders den Kindern.
Eine Trennung von Straße und Fußweg gab es nicht. Die Straße war gepflastert und nur drei Meter breit. Daneben war der Sandweg, der sogenannte Sommerweg, der - solange die Witterung es erlaubte - von den Pferden benutzt wurde. Das war für die Hufe schonender. Hier spielten die Kinder mit Murmeln Kibbel Kabbel oder versuchten mit einem Stock eine alte Fahrradfelge anzutreiben. Federball war ein neues und beliebtes Spiel der 1950er Jahre. Da sich die Straße hierfür besser eignete als der Sommerweg, schlug man einfach auf beiden Seiten einen Holzpfahl in die Erde und spannte ein Seil darüber. Autos fuhren abends ohnehin nicht und wenn, dann fuhren sie langsam und konnten drunter durchfahren.
Nicht zuletzt sind die Rentner zu erwähnen, die man als „Straßenreiniger“ bezeichnen könnte. Einen Bauhof brauchte man nicht! Bei den vielen Pferdegespannen, die täglich durchs Dorf fuhren, gab es jede Menge Pferdeäpfel, die - mit dem eigenen Kompost vermischt - einen guten Dünger für den lebensnotwendigen Gemüsegarten gaben. Die Pferdeäpfel ersetzten den Stickstoffdünger, der bekanntlich mit hohen Energiekosten hergestellt wird. Es war eine wichtige nachhaltige Maßnahme, obwohl man dieses Wort damals noch nicht kannte. Man war also der Zeit voraus! Jeder Rentner hatte vor seinem Haus einen gewissen Straßenabschnitt, den er sauber hielt und auch verteidigte.